Buch-Metapher
vgl. [Gehrke98, S.121]

Auch bei Autoren, die ihre Konzepte bzw. Systeme nicht als Umsetzung der allgemeinen Raummetapher darstellen, spielt die Buch-Metapher schon seit langem eine Rolle: Bereits im Memex-Konzept aus [Bush45] sollten Bücher im System vorliegen und am Bildschirm (bzw. an den Mikrofilm-Projektionsflächen) seitenweise oder unter Überspringen von jeweils 10 oder auch 100 Seiten durchgeblättert werden [Bush45, S.9]. Es sollten aber auch Zeitungen, Zeitschriften, Bilder, Photographien, Geschäftsbriefe und Notizen gespeichert und miteinander verknüpft werden können [Bush45, S.9f].

Das Xanadu-System von Theodor Holm Nelson soll wissenschaftliche Veröffentlichungen, aber auch Geschäftsbriefe und Bestellformulare aufnehmen [Nelson80, S.1015f]. Als Verknüpfungen zwischen und in diesen Dokumenten werden vor allem Analogien zu den aus der Literatur bekannten Fußnoten, Zitaten und Anmerkungen geboten [Nelson80, S.1016f].

Ungefähr 1968 konzipierte Alan C. Kay einen tragbaren Computer in der Größe eines Notizbuches. Er sollte kinderleicht zu bedienen und zu programmieren sein und herkömmliche Bücher (auch und gerade) in den Schulen ersetzen, indem er Kindern als Medium zum Lesen und Schreiben diente. Dadurch sollte die geistige Entwicklung der Kinder besonders wirksam gefördert werden. Bezeichnet wurde dieses Konzept eines Computers spätestens ab 1972 als Dynabook. Als Bedienoberfläche und Programmierumgebung für dieses Dynabook wurde Smalltalk (weiter-) entwickelt. [Kay96, S.522f+527+530-533+549+576] [JRVSIBM89, S.22]

[YanMeyDam85] gehen von einem sehr weit gefaßten Begriff des elektronischen Buchs aus: Sie sehen jedes elektronische Dokument als elektronisches Buch an [YanMeyDam85, S.15]. Damit fallen sehr viele Hypertext-Systeme in den Gegenstandsbereich ihrer Darstellung. Sie konzentrieren sich dabei auf die an der "Brown University" entwickelten FRESS (File Retrieval and Editing System) von 1969, "The Electronic Document System" von 1982, BALSA (Brown Algorithm Simulator and Animator) von 1984 und Intermedia von 1985. Im Hinblick auf Übersichtsdarstellungen ist davon Intermedia am interessantesten: Mit Intermedia können Verknüpfungen zwischen Dokumenten sehr unterschiedlicher Typen hergestellt werden, u.a. Text, Bilder, Musik und Videodisc. (Die Begriffe "Dokument" und "Dokumenten-Typ" sind hier offenbar im Sinne der Apple Macintosh-Umgebung zu verstehen.) Genau genommen werden jeweils 2 Blöcke aus einem oder mehreren Dokumenten ausgewählt und verknüpft. Diese Verknüpfungen werden getrennt von den verknüpften Dokumenten bzw. Blöcken in einem sog. "web" gespeichert. Dieses "web" soll in 2 verschiedenen Übersichtsdarstellungen angezeigt werden: In der "global map" werden alle Verknüpfungen zwischen den Dokumenten des "web" angezeigt. In der "tracking map" werden zum jeweils aktuellen Dokument die Verknüpfungen auf einer von 4 möglichen Detaillierungsebenen angezeigt: die Verknüpfungen dieses Dokuments mit anderen Dokumenten (1) oder anderen Blöcken (2) oder die Verknüpfungen des aktuellen Blocks mit anderen Dokumenten (3) oder anderen Blöcken (4). Diese Übersichtsdarstellung wird "on the fly" generiert und ständig aktualisiert. [YanMeyDam85, S.23-28] [Conklin87, S.28f]. Beispielabbildungen dieser Übersichtsdarstellungen werden in [YanMeyDam85] [Conklin87] nicht gezeigt.

Im Gegensatz zum sehr weit gefaßten Begriff des elektronischen Buches von [YanMeyDam85, S.15] steht z.B. das Konzept aus [Conklin87, S.20-30]: Dort werden der Buch-Metapher entsprechende Systeme lediglich als eine Gruppe von Hypertext-Systemen aufgefaßt. Zu diesen "macro literary systems" wird dort außer Memex und Xanadu u.a. NLS gezählt. Von diesen unterschieden werden u.a. "problem exploration systems", wie z.B. IBIS, und "general hypertext technologie", wie z.B. NoteCards oder Boxer (siehe dazu [Gehrke98, S.106-108]).

Eine andere Art, den Begriff des elektronischen Buches einzuschränken, zeigt die sehr weit gehende graphische Analogie zwischen Büchern und elektronischen Büchern bei den WebBooks [CarRobYor96] - vgl. [Gehrke98, S.64, Abb.30].

So wie man (manche) Hypertext-Systeme als Umsetzung einer Buch-Metapher ansehen kann, lassen sich auch Bücher als eine Form von Hypertext betrachten: [Conklin87, S.20] weist auf Lexika, Enzyklopädien, den Talmud und die Schriften des Aristoteles als solche Beispiele hin.


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Letzte Änderung 30.12.2008 - © Achim Gehrke
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